Schüler*innen des JLG auf Gedenkveranstaltung am Gleis 17

Submitted by kurthan on Di, 10/22/2019 - 23:16

Am 18. Oktober 2019 jährte sich zum 78. Mal der Beginn der nationalsozialistischen Deportationen von Juden und Jüdinnen aus Berlin. Im Jahr 1941 verließ an diesem Tag der erste Berliner »Osttransport« mit mehr als 1.000 jüdischen Kindern, Frauen und Männern den Bahnhof Grunewald in Richtung Litzmannstadt (Łódż). Heute erinnert das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald an diese und alle weiteren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Vernichtung. Es ist auch der Ort, an dem jährlich der 18. Oktober als Gedenktag begangen wird. Wie bereits 2018 nahmen auch 2019 Schüler*innen des JLG mit eigenen Beiträgen an der Gedenkveranstaltung teil. In diesem Jahr beteiligten sich Schüler*innen aus dem Wahlpflichtkurs Geschichte/Politikwissenschaft (Klasse 10) mit zwei Redebeiträgen. Im ersten stellten sie die Biografie des evangelischen Schriftstellers und Theologen Jochen Klepper vor, der sich angesichts der bevorstehenden Deportation seiner jüdischen Stieftochter gemeinsam mit dieser und seiner jüdischen Frau das Leben nahm. Die Schüler und Schülerinnen setzten sich in ihrem Beitrag auch mit Tagebucheinträgen Kleppers auseinander, in denen er sich intensiv mit seinem Glauben und den Suizid beschäftigt. Im zweiten Beitrag ging es um den Lebens- und Leidensweg der Jüdin Gerda Schild Haas, die als Krankenschwester im jüdischen Krankenhaus in Berlin arbeitete und 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde, von wo sie 1945 im Rahmen eines Häftlingsaustauschs in die Schweiz entkommen konnte. Die Schüler und Schülerinnen verlasen auch einen Tagebucheintrag, in dem Schild Haas ihre Mitwirkung an der Abholung und Überbringung jüdischer Waisenkinder zu den Sammellagern schilderte, zu der sie von der Gestapo gezwungen wurde. „Diesen Tagebucheintrag finden wir besonders berührend, weil es schrecklich ist, wenn Juden dazu gezwungen werden, bei den Verbrechen an ihren Glaubensgenossen mitzuwirken. Wenn sie andere Juden an Güterzüge bringen und tatenlos zusehen müssen, wie sie vielleicht noch von der SS misshandelt werden. Und das alles, während sie im Hinterkopf haben, dass sie selbst auch bald an der Reihe sind“, kommentierten die Schüler und Schülerinnen die Schilderungen der ehemaligen Krankenschwester, die heute noch in den USA lebt.

Schüler*innen auf der Gedenkveranstaltung am Gleis 17

Für die Schüler und Schülerinnen war die Gedenkveranstaltung eine besondere Erfahrung. Sie hörten die Reden von Dr. Wolfgang Schäuble (Präsident des Deutschen Bundestages) sowie von Dr. Martina Münch (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg) und konnten sich so einen persönlichen Eindruck von der offiziellen deutschen Erinnerungskultur verschaffen. Außerdem hörten sie die Erzählung der Holocaustüberlebenden Ingeburg Geißler und nahmen damit eine der schwindenden Möglichkeiten wahr, Geschichte aus Zeitzeugen-Perspektive zu erfahren. Die wohl wichtigste Erkenntnis der Schüler und Schülerinnen war, dass es möglich ist, das Erinnern an die nationalsozialistischen Verbrechen aktiv mitzugestalten und dass die jüngere Generation hierfür eine besondere Verantwortung trägt. Dies wurde spätestens deutlich, als nach der Veranstaltung einzelne Teilnehmer und Teilnehmerinnen den Schülern und Schülerinnen ihre Anerkennung und Dankbarkeit mitteilten. Eine ältere Frau, die in ihrer Jugend selbst das John-Lennon-Gymnasium besucht hatte, drückte das folgendermaßen aus: „Durch euch habe ich wieder Hoffnung für dieses Land!“.

M. Schlaugat

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